Ich schreibe immer wieder von Unterricht, Lernen und besonders von Ferien vom Unterricht. Allerdings bin ich noch nie wirklich näher darauf eingeganen, was genau wir (beziehungsweise ich) hier lernen.

Unser Schulabschluss: das International Baccalaureate Diploma
Wir absolvieren das International Baccalaureate Diploma Program. Dieses umfasst sechs Fächergruppen, Theory of Knowledge (ToK), eine 4000-Wort-Seminararbeit (Extended Essay), künstlerisch/kreative Aktivitäten, Sport und Freiwilligenarbeit (Creativity, Activity, Service).
Die sechs Fächergruppen sind folgende: Eine Sprache auf Muttersprachniveau, eine zweite Sprache egal welchen Niveaus, Gesellschaftswissenschaft (z.B. Geographie, Geschichte, Psychologie), Naturwissenschaft (z.B. Physik, Chemie, Biologie), Mathe und Künste (z.B. Musik, Tanz, Film, Theater). Normalerweise wählen die Schüler:innen drei Leistungskurse und drei Grundkurse.
Es ist übrigens keine Pflicht, alle Fächergruppen zu belegen. Je nachdem, ob jemand das IB später ins Abitur umwandeln möchte, ist dies jedoch an bestimmte Bedingungen geknüpft, die von den deutschen Kultusministerien kommen.
Meine Fächer
Leistungskurs (3 Blöcke pro Woche) | Grundkurs (2 Blöcke pro Woche) |
English B | Deutsch Self-Taught (Language A) |
Musik | Environmental Systems & Societies |
Tanz | Mathe Applications & interpretations |
Da ich schon Abitur habe, konnte ich meine Fächer nach Lust und Laune wählen. Dies ist natürlich auch Leuten ohne Abi möglich, aber viele präferieren die Möglichkeit der Abituranerkennung, damit sie ohne Umwege in Deutschland studieren können.
Für mich stand sehr bald fest, dass ich den verpflichteten Englischunterricht nicht auf Muttersprachniveau belegen möchte, sondern als English B, das es nur im Leistungskurs gibt. Hier geht es vor allem um Grammatik, Sprachverbesserung, Konversation und Kreatives Schreiben. Wir lesen nur zwei oder drei Lektüren und unsere Tests bestehen aus Lese-/Hörverstehen und kreativem Schreiben wie einen fiktiven Zeitungsbericht zu einem Foto. Für mich ist English B ziemlich entspannt, da ich im fortgeschritteneren Teil der Klasse bin.
Als Muttersprache wählte ich Deutsch. Da es an unserem Campus (East) keine Deutschlehrkräfte gibt, landete ich im Self-Taught Kurs, den es nur im Grundkurs gibt. Wir lesen in den zwei IB-Jahren ungefähr acht Bücher, die wir jeweils analysieren. Im Self Taught-Unterricht lesen alle ihre eigenen Bücher in ihrer jeweiligen Sprache und bearbeiten selbständig Aufgaben, die sie von ihren Tutor:innen erhalten, mit denen sie z.B. einmal pro Woche videotelefonieren. Deutsch sehe ich wie Englisch ebenfalls nicht als Bürde, da ich schon immer gerne gelesen habe und wir in der deutschen Oberstufe viele Analysen erarbeiteten.
Als ich meine Kunst wählte, konnte ich mich kaum zwischen Musik, Tanz und Theater entscheiden. Glücklicherweise gibt es die Option, zwei Künste zu belegen, weshalb ich mich nun zu einer der wenigen Personen mit Double Arts zählen darf.
In Musik geht es vor allem um uns als Künstler:innen. Deshalb gibt es am Ende der zwei Jahre keine Prüfung, sondern ein Portfolio, das wir in diesen zwei Jahren erstellen. Es beinhaltet Ton-/Videoaufnahmen von musikalischen Darbietungen und Kompositionen. Außerdem gibt es einen schriftlichen analytischen Teil.
Selbst, wenn wir hier Theorie lernen, wird der Stoff immer an eine praktische Übung geknüpft, wie zum Beispiel eine Melodie zu einer Kadenz erstellen.
Dasselbe gilt für Tanz: Wir erstellen Videoaufnahmen von unseren Performances, eigenen Choreografien und analysieren und vergleichen Tanzstile schriftlich.
So sehr ich die beiden Fächer mag, stellen sie die größte Challenge für mich dar, da es eben nicht nur Schreibtisch-Fächer sind, für die ich jederzeit abends/nachts/frühmorgens in meinem Zimmer arbeiten kann, weil ich ja eine Zimmernachbarin habe, die nicht unbedingt davon begeistert wäre, wenn ich einfach mein Instrument auspacke oder im Zimmer herumhüpfe.
Vor allem ist jedoch die Arbeitsweise ungewohnt für mich, da wir meist viel selbständiger arbeiten als im Musikunterricht in meiner vorherigen Schule (wo wir überhaupt selten Praxisunterricht hatten) und in meiner Tanzgruppe. Allerdings möchte ich diese Fächer nicht eintauschen, eben weil ich die Arbeitsweise und die beiden Künste mag.
Die Bedingung für Double Arts ist Environmental Systems & Societies, das eine Kombination aus Gesellschafts- und Naturwissenschaft ist. Ich erkenne in diesem Fach sowohl Geographie, als auch Biologie und ein wenig Physik. ESS wird immer ein wenig belächelt, weil es nicht unbedingt so anspruchsvoll wie pures Physik/Chemie/Biologie ist. Ich persönlich mag aber die Inhalte sehr gerne. Wir lernen zum Beispiel, wie die Nahrungsnetze im Ökosystem aufgebaut ist und warum eine Über- oder Unterbevölkerung einer Spezies so gravierend einschlägt.
Ich wählte zunächst Mathe im Leistungskurs, weil ich mir dachte, dass Musik und Tanz im Leistungskurs vielleicht zu viel werden könnte, weil das Pensum recht groß sein kann. Allerdings merkte ich nach einigen Wochen, dass ich eigentlich keine Lust habe, mich so umfassend mit den Matheproblemen zu befassen und lieber Zeit in etwas stecke, das ich liebe.
Deswegen tauschte ich im Dezember Tanz zum Leistungskurs und Mathe zum Grundkurs. In der Fokussierung “Applications and Interpretations” arbeiten wir viel mit dem Grafiktaschenrechner und der Fokus liegt mehr auf der Anwendung als auf dem Rechnen, was eigentlich das ist, was ich an Mathe mag. Vielleicht versuche ich noch zu “Analysis and Approaches” Grundkurs zu wechseln, aber mal sehen.
Und was ist denn nun ToK?
Ach, wenn ich das nur beantworten könnte. Theory of Knowledge, die Theorie des Wissens, stellt viele Schüler:innen vor ein großes Rätsel. Eine Freundin hat ToK mal als “Philosophieunterricht, aber low budget” beschrieben. Es geht hauptsächlich darum, unser gesamtes Wissen zu hinterfragen: Sollen wir Wissen benutzen, das unethisch erlangt wurde? Wie berührt Kultur unsere Emotionen? Ist es ohne geschichtliches Grundwissen möglich, zu wissen, wer wir sind?
Viel Diskussion, viel Denken, viel “oh wow, das übersteigt meine Hirnkapazität”. Obwohl ich ToK immer noch nicht so recht durchdringe, finde ich es doch interessant.
Und zuletzt: der Extended Essay
Der Extended Essay, oder auch EE, ist eine 4000-Wort-Seminararbeit, die viel größer aufgebauscht wird, als sie es eigentlich ist. Mein Thema steht noch nicht fest, denn mein Fach wurde erst letzte Woche genehmigt (ESS). Der EE ist Voraussetzung, um das IB zu bestehen. Selbst mit Top-Noten in anderen Fächern – wer den EE nicht hat, bekommt den Abschluss nicht. Allerdings haben wir monatelang Zeit für eine Arbeit, bei der das Schwierigste ist, nicht zu prokrastinieren und sie aufzuschieben. Ich bin da zuversichtlich.
Was es mit den CAS-Fächern genau auf sich hat und welche ich belege, erfahrt ihr in einer Fortsetzung.
Schreibt mir bei Fragen gerne, ich freue mich.
Allerliebst,
