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Warum eine Mahlzeit ohne Reis in Indonesien nicht als Essen zählt und Corona eine Erfindung der Kokoswasser-Industrie ist: Lebensupdate Teil 1

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Vor Kurzem überraschte ich mich selbst. Unsere Lokalzeitung bat mich, von meinem vergangenen spannenden Jahr in Singapur zu erzählen. Also fasste ich die letzten 52 Wochen kurz zusammen und schrieb knapp 2800 Wörter.

Manchmal fühlt es sich an, als passiert in meinem Leben wenig, da einige Pläne durch die Pandemie abgesagt wurden. Scrolle ich allerdings durch meine Fotogalerie, fällt mir auf: Hey, diese hunderten von Fotos kommen nicht von irgendwoher! Die Zeit vergeht so schnell wie Eiscreme in Singapur schmilzt und leider wurde durch die vielen Stunden, die ich im IB am Laptop verbringe, die Motivation, in meiner Freizeit noch mehr Texte zu produzieren, geschmälert.

Hier also ein langersehntes Update

Ich beendete die elfte Klasse! Die letzten Schulwochen waren wir wegen der Corona-Situation wieder im Online-Unterricht, was jedoch besser war als das Remote Learning am Anfang vom Schuljahr, denn diesmal war ich in der gleichen Zeitzone und konnte den Unterricht und die Pausen mit meinen Freund*innen gemeinsam verbringen!

Mafer, Milena, Patricia und Valeria sitzen an einem runden Holztisch, auf dem Laptops, Handys und Getränke stehen, und lachen in die Kamera. Die Morgensonne scheint von rechts ins Bild.
Online-Unterricht: Wenn wir Musik, Physik und Biologie gemeinsam beiwohnen können.

Eine Reflektion über die elfte Klasse?

Sie war fordernd, persönlich wie akademisch. Der Unterricht ist komplett auf Englisch, das gerade am Anfang nicht sehr flüssig war, und viel Vorwissen, das meine Mitschüler*innen mitbrachten, hatte ich in Deutschland nicht gelernt. Dazu kommt das akademische Konkurrenzdenken, das im Land Singapur besonders hoch ist, und dazu führt, immer nach Bestnoten zu streben. Hier gehen die Jugendlichen nicht zur Nachhilfe, um das Jahr zu bestehen, sondern um sich von 85 % auf 100 % zu verbessern. Es ist leicht, sich davon mitreißen zu lassen, was als Motivation gut, aber eben auch ziemlich stressig ist. Das Hochstapler-Syndrom ist quasi meine Dauerbegleitung, was mein Selbstvertrauen ein bisschen trübte. Darüber hinaus hatte ich den Faktor, alleine in ein komplett neues System gereist zu sein und mir ein Supportsystem von Grund auf bauen zu müssen.

Menschentechnisch?

Meine Freundschaften zuhause haben sich über einen längeren Zeitraum gebildet und gefestigt und selbst bei Fluktuationen hatte ich immer eine gewisse Stabilität. Hier probieren sich alle unterschiedlich aus, was dazu führt, dass sich Freundesgruppen über einen langen Zeitraum kontinuierlich ändern, ehe sie sich festigen, da sich alle erst kennenlernen und versuchen, ihren Platz zu finden. Das beinhaltet Streit und Konflikte, die noch dazu über einige Ecken schwelen, weil im Internat alle mit allen irgendwie befreundet sind und wir es dann doch nicht unbedingt schaffen, unparteiisch zu bleiben.

Am Anfang des Schuljahres zum Beispiel war ich mit bestimmten Leuten sehr eng und dachte, wir würden auf immer und ewig beste Freund*innen bleiben. Ein paar Monate später und ich bin mit anderen Leuten unterwegs, spreche kaum noch mit den Leuten vom Anfang. Diese Entwicklungen geben mir Mut, wenn ich mich mal alleine fühle, denn in ein paar Monaten kann es schon wieder ganz anders aussehen und ich freue mich darauf, was und wen die Zukunft für mich bereit hält. Trotzdem sollte ich auch den Gedanken behalten, dass einige Freundschaften es wert sind, in sie zu investieren und daran festzuhalten und sie nicht aus den Fingern rutschen zu lassen, “weil sich doch eh alle paar Monate Dinge ändern, wer weiß, ob wir dann noch befreundet sind.”

Hinzu kommt das Gewöhnen an ein neues Land, Essen und die Kultur. Es ist viel. Ich wollte es so, ich genieße den Trubel, aber es ist trotzdem viel zu verarbeiten.

Milena, Farra und Bastian sitzen an einem Restaurant-Tisch mit einem Hot Pot in der Mitte, dazu allerlei Lebensmittle wie Speck, Salat, Spinat, Pilze und Tofu-Rollen, die im Hot Pot gekocht werden und ihre Getränke. Sie lachen freudig aufgeregt in die Kamera.
Farra und Bastian sorgten dafür, dass ich viel unterschiedliches Essen ausprobierte, wie zum Beispiel Hot Pot.

Sommer in Singapur statt in Deutschland

Im April hatte ich beschlossen, in den Sommerferien in Singapur zu bleiben – weil die Corona-Situation in Deutschland eher bedürftig war und ich doch das Leben genießen, Essen gehen und Freundinnen treffen möchte und nicht in meinem Zimmer im Lockdown sitzen wollte. Nun ja, die Situation in Deutschland wurde besser und die Regulationen in Singapur blieben streng. Wäre ich doch heim! Oder? Tatsächlich wurden jedoch für viele, die ursprünglich reisen wollten, die bereits bestätigten Einreisegenehmigungen für den Rückweg wieder zurückgezogen und sie blieben letztendlich, nachdem sie sich wochenlang auf Zuhause gefreut hatten, doch in Singapur.

Leben mit einer indonesischen Gastfamilie oder wie ich trainierte, scharf zu essen

Ich zog also zu einer Gastfamilie: den Eltern von Calvin, Boyfriend von der UWCSEA-Stipendiatin 2016-18 Julia und ehemaliger Boarding Intern. Farra und Bastian hießen mich überaus herzlich willkommen und ich fühlte mich sofort wohl. Suster, ihr Kindermädchen, das seit fast 20 Jahren bei ihnen lebt und arbeitet, verwöhnte mich mit indonesischem Essen, in das ich mich verliebte, das meine Schärfe-Toleranz trainierte und zu meinen neuen Lieblingsessen wie Gado Gado oder Opor Ayam beiträgt – extra für mich in der vegetarischen Version. Dort lernte ich, dass in Indonesien, egal, wie viele Snacks oder Nudelportionen jemand verzehrt hatte, auf die Frage: „Hast du schon gegessen?“, die Antwort „Nein“ folgen wird, denn wo kein Reis dabei ist, zählt nicht als Essen. Mit Farra ging ich regelmäßig zum Zumba, das ich nur empfehlen kann für alle, die noch nach einem Sport suchen, aber nicht gerne joggen gehen. Diese Tanz-Workouts bereiten mir so viel Spaß und ich wage zu behaupten, dass eine Stunde Zumba mehr fordert als eine Stunde Joggen.

Gerade für meine Persönlichkeitsentwicklung war der Sommer wichtig: Nach diesen Monaten im Boarding House für einige Wochen in einer Familie zu leben, wo ich sein kann, wie ich möchte und wo ich mich ausprobieren kann, ohne High School Drama zu produzieren oder mitzuerleben (so unterhaltsam es auch sein mag), sondern wo ein konstant wohlwollendes Miteinander herrscht, genoss ich sehr.

Farra, Ayasha und Milena sitzen lachend in die Kamera blickend and einem Tisch mit indonesischem Essen und Obst.
Farra (links) und Bastian ermutigten mich auch immer wieder, Freund*innen einzuladen, wie zum Beispiel Ayasha (mitte)

Milena und der Kapitalismus

Neben Essen und Zumba arbeitete ich halbtags als Praktikantin bei Parkdepot, einer Firma für digitale Parkraumüberwachung. Bereits im Sommer 2020 kontrollierte ich Excel-Adresslisten und fotografierte Team-Portraits für die damalige Website. Dieses Jahr war ich Teil der HR-Abteilung und half auch im Business Development. Gerade das Recruiting über LinkedIn war spannend und hat mir gut gefallen – HR könnte ich mir auch für die Zukunft vorstellen.

Außerdem vermute ich, in Singapur ist die Kokoswasser-Industrie die Gewinnerin in der Corona-Impfung. Ich erhielt beide meine Impfungen hier und bin am Donnerstag auch hier geboostert worden. Einen Tipp, den ich von allen Seiten durchgehend erhielt: Trink viel Kokoswasser, dann wird die Impfreaktion nicht so schlimm. Alles klar, meine Impfreaktion war wirklich ziemlich mild. Jetzt beim Booster verzichtete ich allerdings auf das Kokoswasser und siehe da: Ich war schon schlapp und hatte erhöhte Temperatur. Kokoswasser also!!!

Milena steht mit freudig ausgestreckten Armen Schlange im Impfzentrum
Schlange stehend für meine Impfung

Das war es mit dem ersten Teil des Updates, seid gespannt auf den nächsten Post, wenn ich von meinem Start in die 12. Klasse berichte.

Allerliebst,

Milena

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